Rede von Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion bei einer Sondersitzung des Sächsischen Landtages am 6. Dezember 2021 im Sächsischen Landtag in der Aussprache zum Antrag der Staatsregierung „Feststellung der Anwendbarkeit des § 28a Absatz 1 bis 6 Infektionsschutzgesetz für den Freistaat Sachsen gemäß § 28a Absatz 8 Infektionsschutzgesetz”:
– Es gilt das gesprochene Wort –
Anrede,
man mag es kaum glauben, aber es gibt einen Aspekt dieser Krise, da sind wir uns wahrscheinlich alle einig. Wir sind nämlich alle „pandemüde“.
Niemand hat Lust auf die Maßnahmen die momentan gelten. Niemand hat Lust auf einen Wellenbrecher, auf einen Lockdown light, oder auf sonst irgendwelche Einschränkungen.
Nun, dass wir alle „pandemüde“ sind, das ist völlig ok.
Was nicht in Ordnung ist, ist, wenn diese Pandemüdigkeit in Hass umschlägt, und wenn dieser Hass sich gegen andere Menschen richtet. Wer mit Fackeln und Trillerpfeifen vor Privathäusern aufmarschiert, wer andere Menschen einschüchtert und bedroht, der hat eine rote Linie überschritten. Das haben wir jetzt schon öfter gehört und dem kann ich mich nur anschließen.
Deshalb stehen meine Fraktion und ich solidarisch an der Seite von Petra Köpping und den vielen, vielen Menschen in den Impfzentren, den Krankenhäusern und den Kommunen, die sich seit fast zwei Jahren im Kampf gegen die Pandemie aufreiben und schon viel zu lange diesem Hass ausgesetzt sind.
Wir sind ehrlich gesagt fassungslos, wie es so weit kommen konnte in Sachsen.
Herr Urban, dass Sie der Einzige sind, der sich hier dazu nicht geäußert hat, dass spricht Bände.
Seit Monaten fordern wir, dass die Corona-Maßnahmen viel stärker kontrolliert werden. Stattdessen laufen Querdenker immer wieder ungehindert in Sachsen und bedrohen Menschen. Seit Wochen fordern wir, dass Petra Köpping einen anderen Schutzstatus erhält – und bis Freitag ist nichts passiert.
Stattdessen werden Abschiebungen von 7‑Jährigen Kindern aus der Grundschule verteidigt.
Ich kann nur sagen: Hier werden die falschen Prioritäten gesetzt. Und das muss sich ändern.
Anrede,
Was sich auch ändern muss, ist unser Blick auf diese Pandemie. Viele verstehen nicht, dass wir in Sachsen gerade an einem Punkt der Pandemie stehen, an dem Länder wie Spanien oder Italien am Anfang standen: Es droht eine Welle von Toten.
Dass sich trotzdem noch immer Viele in Pseudo-Widerstand oder Misstrauen eingerichtet haben, ist bitter.
Es verstellt den Blick auf das Wesentliche, wenn man sich andauernd mit Pseudo-Vorwürfen und Pseudo-Wahrheiten rumschlagen muss. Dabei gibt es Wichtigeres, worauf wir uns konzentrieren sollten – nämlich auf Menschen, Menschen die unsere Unterstützung brauchen.
Kinder und Jugendliche
Das sind allen voran die Kinder und Jugendlichen. Die Kitas und Schulen mussten während dieser Pandemie schon zweimal schließen – und niemand kann versprechen, dass es nicht noch mal passiert.
Aber eines kann ich versprechen: Die SPD und ich werden alles dafür tun das Kitas und Schulen offen bleiben, wenn es irgendwie geht.
Denn Umsatzeinbrüche kann man erstatten. Verlorene Bildungschancen nicht.
Gesundheitswesen
Anrede,
es gibt noch einen zweiten Kreis an Menschen, die auf uns angewiesen sind: Die Menschen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Und damit meine ich sowohl die, die Hilfe brauchen, als auch die, die sich um sie kümmern.
Am Freitag haben sich in Sachsen etwa 10.000 Menschen mit Corona infiziert. Viele von ihnen landen in zwei bis drei Wochen im Krankenhaus, einige auf in der Intensivstation.
Und am Ende werden voraussichtlich 80 Menschen davon sterben. Das alles nur aufgrund der Infektionen am gestrigen Tag. Und so geht das momentan, Tag für Tag.
Die LVZ hat am Dienstag 15 Leiterinnen und Leiter von Krankenhäusern in Sachsen und Thüringen dieselben vier Fragen zu ihrer aktuellen Situation gestellt. Die Antworten zeigen eindrücklich: Überall sind die Krankenhäuser in der Region am Limit. Und die Spitze der Einlieferungen wird frühestens um Weihnachten erwartet.
Um die Beschäftigten in den Krankenhäusern zu schützen, müssen wir auf ihre Hilferufe reagieren. Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass immer mehr Corona-Fälle bei ihnen landen.
Verantwortung übernehmen
Anrede,
für die Kinder und Jugendlichen und für die Menschen im Gesundheitswesen müssen wir die Einschränkungen hinnehmen, deren Verlängerung wir mit dem heutigen Antrag ermöglichen. Aber um sie zu schützen, tut der Staat noch viel mehr: Deshalb gibt es Kinderkranktage, Homeofficepflicht, Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfen, kostenfreie Test, kostenfreie Impfungen usw.
Das ist Ausdruck von Respekt, von Fürsorge und von Solidarität. Respekt für jene, die Menschen versorgen und retten; Fürsorge für jene, die auf Hilfe angewiesen sind; Solidarität mit allen, die dafür zurückstecken.
Impfung und Finanzpolitik
Anrede,
wir dürfen uns aber nichts vormachen. Um langfristig aus diesem Auf und Ab auszubrechen hilft wahrscheinlich nur eines: impfen, impfen, impfen.
Dass im Moment die Nachfrage das Angebot übersteigt, ist nicht gut. Da wird von vielen in Sachsen, auch in diesem Raum, auf das Sozialministerium und die Sozialministerin gezeigt. Weil es ja so einfach ist. Zur Wahrheit gehört aber auch: im Sommer wurde nicht auf das Sozialministerium und Petra Köpping gehört: Sie hat schon damals für eine langfristige Impfstrategie und eine Standby-Lösung bei den Impfzentren plädiert. Den Propheten falscher Sparsamkeit war das zu teuer. Und sie haben sich leider durchgesetzt.
Einmal mehr falsche Prioritäten. Die Folge ist: Jetzt müssen wir die Impfzentren wieder neu aus dem Boden stampfen.
Und das ist bitter, weil wir das ja nicht das erste Mal in Sachsen erleben. Vermeintlich sparsame Politik kostet uns Unmengen an Vertrauen in der Bevölkerung. Das ist kein guter Deal. Im Gegenteil, es ist frustrierend. Weil das verlorene Vertrauen nicht nur teuer ist, es ist unbezahlbar.
Jetzt haben wir wieder viel Geld in die Hand genommen, um das Impfangebot erneut hochzufahren. Und für die SPD kann ich auch klar sagen: wenn wir mehr Geld brauchen, dann wird es an uns nicht scheitern. Damit das klar ist.
Anrede,
Ich kann nur hoffen, dass gerade wir in diesem hohen Haus alle demütig genug sein werden, um aus den Fehlern, die wir alle gemacht haben, unsere Lehren für die Zukunft zu ziehen. Denn ein klügerer Mann als ich hat mal gesagt „Erfolg besteht nicht darin, keine Fehler zu machen, sondern darin, den gleichen Fehler kein zweites Mal zu machen. “
Damit wir bald nicht mehr „pandemüde“ sein müssen.
Vielen Dank