„Ich bin entsetzt und beschämt über die Äußerungen des Ministerpräsidenten”

20. Oktober 2023

Verantwortung übernehmen statt Schuld abwälzen 

Zur Behaup­tung des Minis­ter­prä­si­denten, Sachsen könne „die Qua­lität der Bil­dung nicht mehr garan­tieren, weil wir Schüler beschulen müssen, die von außen kommen” erklärt die bil­dungs­po­li­ti­sche Spre­cherin der SPD-Frak­tion im Säch­si­schen Landtag Sabine Friedel: 

„Ich bin ent­setzt über eine solche Ver­dre­hung der Tat­sa­chen. Die Wahr­heit ist doch: Wir können die Qua­lität der Bil­dung nicht mehr garan­tieren, weil das säch­si­sche Bil­dungs­system jahr­zehn­te­lang unter­fi­nan­ziert war. Weil heute in den Schulen die Lehr­kräfte fehlen, die vor fünf­zehn Jahren nicht ein­ge­stellt wurden. Weil kein Puffer ein­ge­plant und das System dras­tisch auf Kante genäht ist. Jede Erkäl­tungs­welle, jeder kleine Gebur­ten­an­stieg und natür­lich auch die Auf­nahme von geflüch­teten Kin­dern und Jugend­li­chen führt dadurch zum Unter­richts­aus­fall. 

Doch es ist absolut beschä­mend, jetzt mit dem Finger auf die zu zeigen, die ‚von außen’ kommen. Erst recht als poli­ti­scher Ver­ant­wor­tungs­träger. Und erst recht vor Schü­le­rinnen und Schü­lern. Unsere gemein­same poli­ti­sche Auf­gabe ist es, Ver­ant­wor­tung zu über­nehmen und Ver­bes­se­rungen her­bei­zu­führen und nicht Schuld abzu­wälzen. Was ist man denn sonst für ein Vor­bild für die Schü­le­rinnen und Schüler, vor denen man spricht? 

Auch vor dem Krieg in der Ukraine gab es in Sachsen Leh­rer­mangel, auch ohne die unbe­glei­teten min­der­jäh­rigen Geflüch­teten war der Unter­richts­aus­fall hoch. Es wird immer uner­war­tete zusätz­liche Ereig­nisse geben. Umso wich­tiger ist es, dass in unserem Schul­system mit Puffer geplant wird. Dass es uns als SPD leider bis heute nicht gelungen ist, den voll­stän­digen Ergän­zungs­be­reich in die lang­fris­tige Stel­len­pla­nung zu bekommen, liegt an der starr­sin­nigen Wei­ge­rung der CDU, solche Puffer vor­zu­be­reiten. Hätte die säch­si­sche Politik vor fünf­zehn Jahren solche Puffer geschaffen und Lehrer:innen ein­ge­stellt, dann könnten wir die Qua­lität der Bil­dung heute garan­tieren. 

Es ist drin­gend nötig, dass der Minis­ter­prä­si­dent und seine Partei ihre ‘So-wenig-wie-möglich’-Mentalität auf­geben und aner­kennen, dass Sys­teme Puffer brau­chen, um leis­tungs­fähig zu sein. Einen rea­lis­ti­schen Blick zu erlangen ist aber natür­lich nicht ein­fach, wenn wich­tige Insti­tu­tionen im Frei­staat ihn nicht haben. Die Fehl­an­nahmen des Rech­nungs­hofes und des Finanz­mi­nis­te­riums sind im Bil­dungs­be­reich schon legendär, aber nicht ein­zig­artig: Im Jahr 2018 hat der Säch­si­sche Rech­nungshof bei­spiels­weise eine Redu­zie­rung der Erst­auf­nah­me­ka­pa­zi­täten für Geflüch­tete gefor­dert. Die Annahme von 15.000 Geflüch­teten schien ihm zu hoch. Doch die Rea­lität sieht anders aus: 2022 hat Sachsen mehr als 18.000 Geflüch­tete auf­ge­nommen, 2023 wird die Zahl ähn­lich aus­sehen. Der Rech­nungshof emp­fahl, die Auf­nah­me­plätze auf 3.600 bis 5.600 zu senken, in der Rea­lität sind heute mehr als 6.000 Plätze belegt, die Kapa­zi­täten müssen aus­ge­baut werden. 

Wir, die säch­si­sche Lan­des­po­litik, sind in der Ver­ant­wor­tung, solche Bedin­gungen zu schaffen, dass die Qua­lität der Bil­dung jeder­zeit garan­tiert werden kann. Des­halb haben wir als SPD uns für die Schaf­fung tau­sender neuer Leh­rer­stellen stark gemacht, haben Schul­as­sis­tenz und Qua­li­täts­bud­gets ein­ge­führt. Und des­halb werden wir weiter darauf drängen, dass im Schul­system mit Reserve geplant wird. Damit sind wir bisher am Finanz­mi­nis­te­rium geschei­tert. Es wäre für den Minis­ter­prä­si­denten mit seiner Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz ein Leichtes, den fis­ka­li­schen Wider­stand gegen ein gut aus­ge­stat­tetes Schul­system zu bre­chen. Hierfür ist er ver­ant­wort­lich, nicht die „Schüler von außen”.