Verantwortung übernehmen statt Schuld abwälzen
Zur Behauptung des Ministerpräsidenten, Sachsen könne „die Qualität der Bildung nicht mehr garantieren, weil wir Schüler beschulen müssen, die von außen kommen” erklärt die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag Sabine Friedel:
„Ich bin entsetzt über eine solche Verdrehung der Tatsachen. Die Wahrheit ist doch: Wir können die Qualität der Bildung nicht mehr garantieren, weil das sächsische Bildungssystem jahrzehntelang unterfinanziert war. Weil heute in den Schulen die Lehrkräfte fehlen, die vor fünfzehn Jahren nicht eingestellt wurden. Weil kein Puffer eingeplant und das System drastisch auf Kante genäht ist. Jede Erkältungswelle, jeder kleine Geburtenanstieg und natürlich auch die Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen führt dadurch zum Unterrichtsausfall.
Doch es ist absolut beschämend, jetzt mit dem Finger auf die zu zeigen, die ‚von außen’ kommen. Erst recht als politischer Verantwortungsträger. Und erst recht vor Schülerinnen und Schülern. Unsere gemeinsame politische Aufgabe ist es, Verantwortung zu übernehmen und Verbesserungen herbeizuführen und nicht Schuld abzuwälzen. Was ist man denn sonst für ein Vorbild für die Schülerinnen und Schüler, vor denen man spricht?
Auch vor dem Krieg in der Ukraine gab es in Sachsen Lehrermangel, auch ohne die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten war der Unterrichtsausfall hoch. Es wird immer unerwartete zusätzliche Ereignisse geben. Umso wichtiger ist es, dass in unserem Schulsystem mit Puffer geplant wird. Dass es uns als SPD leider bis heute nicht gelungen ist, den vollständigen Ergänzungsbereich in die langfristige Stellenplanung zu bekommen, liegt an der starrsinnigen Weigerung der CDU, solche Puffer vorzubereiten. Hätte die sächsische Politik vor fünfzehn Jahren solche Puffer geschaffen und Lehrer:innen eingestellt, dann könnten wir die Qualität der Bildung heute garantieren.
Es ist dringend nötig, dass der Ministerpräsident und seine Partei ihre ‘So-wenig-wie-möglich’-Mentalität aufgeben und anerkennen, dass Systeme Puffer brauchen, um leistungsfähig zu sein. Einen realistischen Blick zu erlangen ist aber natürlich nicht einfach, wenn wichtige Institutionen im Freistaat ihn nicht haben. Die Fehlannahmen des Rechnungshofes und des Finanzministeriums sind im Bildungsbereich schon legendär, aber nicht einzigartig: Im Jahr 2018 hat der Sächsische Rechnungshof beispielsweise eine Reduzierung der Erstaufnahmekapazitäten für Geflüchtete gefordert. Die Annahme von 15.000 Geflüchteten schien ihm zu hoch. Doch die Realität sieht anders aus: 2022 hat Sachsen mehr als 18.000 Geflüchtete aufgenommen, 2023 wird die Zahl ähnlich aussehen. Der Rechnungshof empfahl, die Aufnahmeplätze auf 3.600 bis 5.600 zu senken, in der Realität sind heute mehr als 6.000 Plätze belegt, die Kapazitäten müssen ausgebaut werden.
Wir, die sächsische Landespolitik, sind in der Verantwortung, solche Bedingungen zu schaffen, dass die Qualität der Bildung jederzeit garantiert werden kann. Deshalb haben wir als SPD uns für die Schaffung tausender neuer Lehrerstellen stark gemacht, haben Schulassistenz und Qualitätsbudgets eingeführt. Und deshalb werden wir weiter darauf drängen, dass im Schulsystem mit Reserve geplant wird. Damit sind wir bisher am Finanzministerium gescheitert. Es wäre für den Ministerpräsidenten mit seiner Richtlinienkompetenz ein Leichtes, den fiskalischen Widerstand gegen ein gut ausgestattetes Schulsystem zu brechen. Hierfür ist er verantwortlich, nicht die „Schüler von außen”.